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Sie fühlt sich nicht willkommen

Untersuchungen zeigen die größten Herausforderungen für Zuwanderer am deutschen Arbeitsplatz.

Ligia Fascioni in Zusammenarbeit mit Livia Rangel und Evelyne Leandro


Laila kam aus Argentinien, um in Deutschland als Krankenschwester zu arbeiten. Die Aussicht auf ein neues Leben in einem kulturell so reichen Land war aufregend, auch wenn es einige Herausforderungen mit sich brachte. Sie stürzte sich kopfüber in das Erlernen der Sprache und war froh und neugierig, ihre neuen Kollegen kennenzulernen. Der erste Schock: Sie schienen nicht sehr glücklich darüber zu sein, dass sie dort war.


Zuerst kamen die Kommentare über ihren Akzent. Dann begannen die Mikroaggressionen und führten zu einem Gefühl der Isolation, das sie jeden Tag an ihrer Entscheidung zweifeln lässt.


Diese Geschichte mag wie ein Einzelfall klingen, aber leider spiegelt sie die Integrationsprobleme in einem Land wider, das dringend qualifizierte Arbeitskräfte braucht.
Wer sind die „Lailas“?

Um dieses Szenario zu ändern, arbeitet das InCulture Projekt der Nichtregierungsorganisation Janainas an Lösungen, um sowohl die „Lailas“ (in Deutschland arbeitende Zuwanderer - unabhängig von Geschlecht oder Beruf) als auch ihre Kollegen und Chefs zu unterstützen, die möglicherweise unbewusste Vorurteile haben, die die Produktivität beeinträchtigen und sogar zum Verlust dringend benötigter Fachkräfte führen können.


Der erste Schritt bestand darin, eine Umfrage mit den „Lailas“ durchzuführen, um das Problem besser zu verstehen. Die Umfrage wurde in Gruppen und auf Plattformen, die hauptsächlich von Zuwanderern in Deutschland genutzt werden, verbreitet und erhielt 92 anonyme Antworten. Die Ergebnisse sind zwar statistisch nicht repräsentativ, aber das Ziel ist es, die Landschaft zu umreißen und das Gespräch zu beginnen.


Da die Umfrage nicht viele muslimische Gruppen erreicht hat (die meisten Befragten waren westliche Christen), ist die religiöse Voreingenommenheit in den Ergebnissen wahrscheinlich unterrepräsentiert.


Die nächsten Schritte umfassen Befragungen von Arbeitgebern und Kollegen, um ein umfassenderes Bild zu erhalten.


Janainas e.V., die Organisation hinter dem Projekt, ist eine von brasilianischen Frauen in Berlin gegründete gemeinnützige Organisation, die sich darauf konzentriert, Migrantinnen zu stärken und ihnen zu helfen, ihre Fähigkeiten für eine bessere Integration in die deutsche Gesellschaft zu nutzen.

Wir haben festgestellt, dass die meisten Befragten Frauen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union sind, die seit mehr als 7 Jahren in Deutschland leben. Alle Personen arbeiten legal im Land.

DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN

Eine kleine Anzahl der Befragten gab an, noch nie Diskriminierung erlebt zu haben, oder sprach darüber, das Problem durch rechtliche Hilfe, Jobwechsel oder das Erlernen von Vorschriften zu überwinden.

Interessanterweise betrachten mehr als 70 % die Sprachbarriere auch nach so vielen Jahren im Land immer noch als ihre größte Herausforderung. Personen berichten, dass sie für Beförderungen übergangen wurden, weil ihr Deutsch nicht „muttersprachlich genug“ war – selbst in Unternehmen, die zu 100 % auf Englisch arbeiten.

Die Gründe sind vielfältig: Deutsch hat eine komplexe Grammatikstruktur, die sich stark vom Englischen (der aktuellen Lingua Franca der westlichen Welt) unterscheidet. Zudem arbeiten viele in Unternehmen, in denen Englisch die offizielle Sprache ist. Befragte berichten, dass Schwierigkeiten mit fließendem Deutsch oder ein Akzent zu Urteilen über ihre Intelligenz oder Kompetenz führten.

Schließlich wird die Integration in die lokale Bevölkerung, die das Erreichen von Sprachflüssigkeit erleichtern würde, durch kulturelle Unterschiede erschwert. Auch aufgrund von (oft unbewussten) Vorurteilen sind die nächsthäufig genannten Herausforderungen Stereotype und Vorurteile, die verhindern, dass die Fähigkeiten und das Wissen von Migrant:innen von Kolleg:innen anerkannt werden.

Mikroaggressionen treten recht häufig auf (jene gemeinen Kommentare, die als Komplimente getarnt sind, oder kleine Verhaltensweisen, die die Person ausgeschlossen fühlen lassen).

Viele Befragte berichteten von ungleicher Behandlung am Arbeitsplatz: Gehaltsunterschiede, übergangene Beförderungen, ungerechtfertigte Kündigungen und Ausgrenzung aufgrund der Sprache.

„Ich habe oft gehört: ‚Du bist sehr gut für eine Brasilianerin.‘“

Kulturelle Unterschiede sollten eine Bereicherung sein, keine Herausforderung. Vielleicht stellt dieser Aspekt die größte Chance als Motor für Veränderung dar – damit alle Beteiligten verstehen, wie wichtig kulturelle Unterschiede sind, um den persönlichen Erfahrungsschatz jedes Professionals zu bereichern, mit klaren Vorteilen für das Unternehmen.


Zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung erwähnten mehrere Antworten Belästigung, Herabwürdigung oder unfaire Behandlung aufgrund des Frau-Seins – besonders in männerdominierten Branchen.

Hier einige anonyme Erfahrungsberichte:

„Ich wurde schwanger, und die Vorgesetzten wollten mein Projekt beenden und mich nach Brasilien zurückschicken.“ –Ein eindrückliches Beispiel für Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Nationalität.

„Bei Leistungsbewertungen... mein Feedback war, ich solle mehr lächeln.“ – Eine subtile Mikroaggression.

„Ein Kollege belästigte mich moralisch und sexuell... sagte Dinge wie: ‚Du bist eine katholische Kuh... du bist dumm, riechst aber sehr gut.“ –Ein verstörender Fall von Missbrauch am Arbeitsplatz.

„Als ich eingestellt wurde, hielt ich das Gehaltsangebot für fair, aber nachdem ich im Unternehmen angefangen hatte, wurde mir klar, dass es viel niedriger war als das meiner deutschen/männlichen Kollegen in derselben Position und mit dem gleichen Erfahrungsniveau.“ – ein Beispiel für Lohnungleichheit aufgrund von Herkunft und Geschlecht.

„Deutsche Männer, die weit weniger qualifiziert oder kompetent sind als ich... verdienen mehr... während mir systematisch Beförderungen verwehrt werden.“ –Ein Beispiel für die Überschneidung von Geschlechter- und Rassendiskriminierung.


Zusammenfassend zeigt die Datenauswertung, dass ethnische Herkunft/Nationalität durchgängig eine der am häufigsten genannten Diskriminierungsformen ist. Außerdem:

  • Geschlechterdiskriminierung überschneidet sich häufig mit Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft/Nationalität.

  • Altersdiskriminierung stellt einen bedeutenden Faktor dar, insbesondere in Kombination mit anderen Diskriminierungsformen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ethnische Herkunft/Nationalität die verbreitetste Diskriminierungsform in verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist – oft in Verbindung mit weiteren Merkmalen wie Geschlecht und Alter.
GEFÜHLE UND WAHRNEHMUNGEN
Der Tenor der offenen Fragen, in denen Betroffene persönliche Erfahrungen schildern konnten, vermittelt einen Eindruck von den gemeinsamen Empfindungen dieser Arbeitnehmer:innen:
  • Frustration über systematische Benachteiligung

  • Ohnmacht angesichts subtiler Mikroaggressionen

  • Resignation, wenn Diskriminierung trotz Qualifikation Karrieren blockiert

  • Wut über die Normalisierung von Stereotypen

(Der letzte Absatz ist eine interpretative Verdichtung der emotionalen Untertöne – falls gewünscht, kann ich ihn sachlicher formulieren oder durch direkte Zitate ersetzen.)


WO FINDET MAN UNTERSTÜTZUNG?

Was die Suche nach Unterstützung betrifft, so werden sowohl die Personalabteilung als auch die Führungskräfte und die institutionelle Politik als ineffektiv oder nachlässig angesehen, wenn es um Beschwerden geht.


Es gibt viele Fälle von Vergeltung oder Isolation nach der Meldung von Diskriminierung. Einige Personen suchten rechtliche Unterstützung, dokumentierten die Missstände oder konfrontierten die Täter verbal.

Hauptstrategien und ErfahrungenDie wichtigsten Strategien – besonders unter Frauen – sind Allianzen mit anderen Migrant:innen oder vulnerablen Gruppen, insbesondere in Online-Netzwerken (soziale Medien).

Viele berichteten, dass Strukturen wie Personalabteilungen, Führungskräfte oder Diversitätsrichtlinien keine echte Unterstützung bieten. Zwar nahmen einige an ERGs (Employee Resource Groups) teil, doch viele halten sie für oberflächlich oder wirkungslos.

„Mein Chef schlug eine ‚Diversity-Session‘ vor – was alles nur schlimmer machte.“

Zusammenfassend:

  • Formelle Strukturen (HR, DEI) versagen häufig, sodass Beschäftigte auf informelle Netzwerke mit Kolleg:innen in ähnlichen Situationen angewiesen sind.

  • Viele erleben Isolation – sei es durch feindliche Umgebungen, mangelnde Diversität oder Angst vor Vergeltung („Meide Deutsche“, „Bleib still“).

  • Bewältigungsstrategien variieren: Manche suchen Allianzen, andere passen sich passiv an oder kündigen.

  • Kritik an corporate performativity: Diversitätsinitiativen existieren, scheitern aber am echten Schutz oder echter Inklusion.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Umfrage lieferte umfangreiches Material mit zahlreichen Beispielen, die ein präziseres Bild der Realität vermitteln. Einige Erkenntnisse:

  1. Echte Unterstützung kommt von Gleichgesinnten, nicht von Systemen Informelle Netzwerke (andere Migrant:innen, Frauen, BIPoC) sind die Hauptstütze – nicht Unternehmensstrukturen.

  2. Toxische Umgebungen führen zum Exodus Bei anhaltender Diskriminierung ist Kündigung oft die einzige Lösung.

  3. Struktureller Wandel ist nötig Unternehmen müssen über Performanz hinaus echte Schutz- und Inklusionsmechanismen schaffen.

  4. Resilienz ≠ Lösung Von Minderheiten zu verlangen, sich „anzupassen“ oder „auszuhalten“, ignoriert die Verantwortung von Organisationen, Vorurteile zu bekämpfen.

NÄCHSTE SCHRITTE (in Entwicklung)

Basierend auf den Studienergebnissen lassen sich bereits vorläufige Ideen skizzieren:

  • Selbstverwaltete Unterstützungsnetzwerke schaffen (z. B. Migrant:innengruppen mit Firmensponsoring, aber in Eigenregie).

  • Schulungen zu unbewussten Vorurteilen für Führungskräfte – mit Fokus auf reale Konsequenzen und praktischen Übungen (nicht nur Theorie).

  • Anonyme Meldekanäle mit externen Untersuchungen, um Vergeltung zu verhindern.

STIMMEN AUS DER UMFRAGE

Diese Aussage spiegelt eine zentrale Perspektive migrantischer Arbeiter:innen in Deutschland wider: „Verstehe, dass nicht alles persönlich ist – dass rassistische und koloniale Strukturen größer sind als du und schon länger existieren. Vergleiche dich nicht mit Einheimischen, sondern erinnere dich an deine Geschichte und wie weit du schon gekommen bist.“

Und ein weiterer bemerkenswerter Hinweis:„Es gibt mehr nette Deutsche als Arschlöcher – wie überall.“

AUSBLICK

Der Weg ist noch lang, doch das Problem richtig zu identifizieren, ist ein entscheidender Schritt.

Wir glauben, dass Bewusstsein und Anerkennung dieser Probleme Unternehmen helfen wird, wertvolle (und knappe) Fachkräfte zu halten – und gleichzeitig Produktivität, Innovationsfähigkeit (die von Diversität abhängt) und Mitarbeiterbindung zu steigern.

Vor allem aber arbeiten wir daran, dass Laila ihre Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, nicht bereut – und dass Kolleg:innen sie willkommen heißen und ihren Beitrag wertschätzen.

Für Updates zum Projekt besuchen Sie InCulture Seite.

 
 
 

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