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Frauen, Migration und Karriere

Autorenbild: Time JanainasTime Janainas

Ausgehend von ethnografischen Beobachtungen und dem Buch „Karriere und Familie“ von Claudia Goldin skizziert der heutige Artikel einige wichtige Indikatoren für das heikle Verhältnis zwischen Geschlecht, Karriere und Migration - Teil I.



Vor einigen Jahren unterhielte ich mich mit einer Freundin über das Leben in Europa und das Für und Wider, um „einige Zeit im Ausland“ zu verbringen, Brasilien zu verlasse.


Ich spielte damals schon mit dem Gedanken, das Land zu verlassen; Meine Freundin, die mit einem deutschen Mann verheiratet ist, sagte mir aber, dass sie lieber in Brasilien bleiben würde als nach Deutschland zu ziehen.


Natürlich war meine erste Reaktion ein innerer Schrecken: Aber wie kann das sein? Fragte ich mich schnell, ohne zu überlegen, was Migration alles bedeutet.


Sie erklärte mir, dass ihre Entscheidung mit ihrer Karriere zusammenhängt: ihre Arbeit und ihre Wünsche für die Zukunft liegen nicht in Deutschland, sondern in Brasilien.


Es war eine von ihr und ihrem Mann gleichermaßen abgewogene Entscheidung ohne einseitige Karriereopfer der Frau (wie es in den meisten Fällen der Fall ist), eine Geschichte, die, in Bezug auf Karriere - und Familienentscheidungen, auf ganz besondere Weise, die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt.



Karriere und Familie


In dem Buch Karriere und Familie von Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Goldin, die für ihre umfassende Arbeit über Geschlecht und Karriere in 2023 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, beginnt die Autorin ihre Studie mit einer Diskussion über 


den direkten Zusammenhang zwischen dem Ungleichgewicht bei der Aufteilung der familiären Betreuungsaufgaben und dem beruflichen Aufstieg,

und dem Ausmaß, in dem die Karriere des Ehemannes auf bessere Chancen als die der Ehefrau optimiert ist - oder im Falle gleichgeschlechtlicher Beziehungen, unabhängig vom Geschlecht, liegen die großen Karrierelücken auch in der Ungleichheit der Aufteilung der Betreuungsaufgaben

Die Autorin begründet ihre Argumentation mit der Art der Arbeit, die Männer und Frauen bei der „Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie bevorzugen. Während der Mann sich auf lange Arbeitszeiten und ausschließliches Engagement konzentriert, nimmt die Frau, getrieben durch das Ungleichgewicht bei der Aufteilung von Betreuungsarbeit und Familie, flexiblere Jobs an - etwa Teilzeitstellen -, die ihrerseits weniger Möglichkeiten für Beförderungen, Kontakte, Reisen und den Zugang zu erweiterten Arbeitsnetzwerken und -möglichkeiten eröffnen.


Obwohl es schwierig ist, die gesamte Dynamik zwischen familiären und beruflichen Reibungen in einem Migrationskontext und vor allem in einem einzigen Artikel zu beurteilen, stechen einige Punkte hervor, die Paare mit oder ohne Kinder betreffen, nämlich


eine Karriere, die weder fruchtbar noch etabliert ist,  die Ungleichheit zwischen sogenannter produktiver Arbeit, und prekärer Pflegearbeit, die Zeit, die man damit verbringt, sich im System zurechtzufinden,
die Bevorzugung der Karriere des Partners gegenüber der eigenen,   die eingebürgerte Ungleichheit der an Frauen gerichteten Betreuungsaufgaben, bürokratische und vertikale Probleme,
Marker wie Klasse und Rasse,   unbekannte kulturelle Codes,   die Herausforderungen beim Erlernen der Landessprache, schlechter Zugang zu Netzwerken und Kapital für Arbeitsmöglichkeiten,
sowie hohe und entfremdende Erwartungen an das Leben in einem wesentlich wohlhabenderen Land,

dienen als Indikatoren, die uns helfen, die Schwierigkeiten, die bei der Verwirklichung und Etablierung von Frauenkarrieren auftreten, zu ergründen - wenn nicht gar zu verstehen -, insbesondere unter Berücksichtigung des Migrationskontextes.



Heikle Pfade

Ein interessantes Beispiel gerade zum Thema Migration stammt aus einem informellen Gespräch mit einer brasilianischen Kollegin, die in Berlin lebt. Sie hat von ihrer Karriere und ihrem Fachgebiet erzählt, insbesondere von ihren langen Studienjahren und ihrer erfolgreichen Karriere in Brasilien.


Nach einer Beratung mit der Agentur für Arbeit wurde ihr jedoch mitgeteilt, dass ihr Fachwissen und ihre langjährige Erfahrung nach den deutschen Vorschriften nicht „gleichwertig“ seien. Daher wurden sie für die Arbeit im Land nicht anerkannt, und sie konnte beruflich nicht dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte, als sie Brasilien verließ und mit ihrem Mann nach Deutschland zog.


Mindestens zwei große Verluste gibt es in diesem Fall: einer für das Land, Deutschland, da es sich neuen Möglichkeiten, neuem Know-how und Wissen verschließt,

und auch einer für meine liebe Kollegin, die nicht in der Lage ist, ihre Karriere fortzusetzen, und die sich zwischen einer ehrenamtlichen Tätigkeit - die ihr 200 Euro pro Monat für 20 Stunden Arbeit pro Woche einbringt - und der Betreuung ihrer Kinder und anderen Pflegeaufgaben zu Hause befindet.

Andererseits ist die Karriere ihres Mannes in einer renommierten deutschen Einrichtung gesichert und etabliert. Der Kontext des Landes, in das man migriert, spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Vergrößerung der Kluft zwischen Familienmitgliedern, zwischen denen, die eine produktive Karriere verfolgen, und denjenigen, die aufgrund vertikaler und systematischer Reibungen nur in der Pflegearbeit bleiben können.



Schlußgedanken

Als ein in der Sozial-, Feminismus- und Wirtschaftsforschung sehr relevantes Thema bleibt die Sorgearbeit ein zentrales Element beim Erforschen von Karriere und Geschlecht. Dies gilt auch für die Migration, wo noch größere horizontale und vertikale Strukturen im Spiel sind.


Schicken Sie mir gerne eine E-Mail an natalia@janainas.org mit Ihren Erfahrungen oder Überlegungen zu den Themen Familie, Migration und Karriere, und wir sehen uns in zwei Wochen.



         

         Natalia Pais Fornari

Perspektiv


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